Die Jungfernmühle
Wie kommt ein so altes Baudenkmal wie die Jungfernmühle in die doch erst in den 60ern erbaute Gropiusstadt?
In der Gropiusstadt gibt es eigentlich keine Altbauten und kein Denkmal. Eigentlich. Denn es gibt die Jungfernmühle. Die kleine achteckige Mühle ist die älteste erhaltene Windmühle in ganz Berlin und eine echte Holländermühle. Jetzt hat sie nur noch Jalousieflügel- und eine Windrosenattrappe, die beide nicht wirklich funktionieren. Die Jungfernmühle wurde im Jahr 1757 in Potsdam von dem holländischen Zimmermann Adrian den Ouden erbaut und stand auf dem Amtsacker in der Nähe des Nauener Tores in Potsdam. Die Mühle ist also heute, wenn die Überlieferung stimmt, über 260 Jahre alt!
1860 mußte sie nach rund einhundertjährigem Betrieb der Arndt'schen Villa weichen wurde in Einzelteile zerlegt und von ihrem neuen Besitzer, Johann Wilhelm Blankenberg auf den Rixdorfer Rollbergen wieder aufgebaut. Hier stand sie aber auch nur kurze Zeit, denn durch die Bebauung des Rollbergs gab es dort nicht mehr genug Wind und im Jahr 1892 erwarb der Müllermeister Otto Wienecke die Mühle und ließ sie an ihren heutigen Standort nach Buckow verlegen. Seine Nachfahren wohnen noch heute in einem Haus dicht bei der Mühle. Bei der Verlegung wurde natürlich nur der „Kern“ der Mühle verlegt, also ihre Funktionsbestandteile. Das steinerne Gebäude drumherum musste neu aufgebaut werden.
1926 wurde die Jungfernmühle auf elektrischen Betrieb umgestellt und ihre Flügel wurden stillgelegt. Bis 1974 wurden hier bis zu neun Tonnen Getreide am Tage gemahlen. Als die Gropiusstadt gebaut wurde, stand die Mühle noch auf relativ freiem Feld. Bis zum Frühjahr 1980 wurde hier mit elektrischer Energie noch Mehl gemahlen, so dass die Jungfernmühle die letzte aus wirtschaftlichen Gründen betriebene Berliner Mühle war. Erst Mitte der 80er Jahre wurde die Mühle umbaut. Heute steht sie also in der Goldammerstraße. Die Bauten wurden im holländischen Stil errichtet, um ein halbwegs „harmonisches Ensemble“ zu schaffen. Zwischen 1980 und 1993 verfiel die Mühle dann zusehends und wurde erst 1993 saniert. Seitdem beherbergt sie das Restaurant Jungfernmühle.
Jungfernmühle heißt sie in Erinnerung an den tragischen Tod der Tochter des ersten Müllermeisters Walsleben. Der Überlieferung nach kam die Müllerstochter 1757 auf den Mühlenberg, um sich den neuen Bau anzusehen. Durch plötzlich auftretenden Wind wurde sie von einem Flügel erfasst und in hohen Bogen auf die Galerie geschleudert. Mit zerschmettertem Körper wurde das Mädchen zu den Eltern zurück gebracht. Zur Erinnerung ließ der Müller das Bild seiner jungfräulichen Tochter in Eichenholz stechen und über der Eingangstür der Mühle einsetzen. Leider ist dieses Original-Holzrelief im Lauf der Jahre verschwunden.
Die Jungfernmühle ist also weit herumgekommen und hat viel erlebt - und der Gropiusstadt beim Wachsen zugesehen. Heute ist der Platz um die Mühle einer der nettesten Orte in der Gropiusstadt. Im Frühling und Sommer kann man im Biergarten des Restaurants sehr schön draußen sitzen, es ist ruhig und dörflich und der Kontrast der alten Mühle zu den typisch Gropiusstädter Hochhäusern ungewöhnlich und reizvoll.
Text: U. Ungethüm